Heimat- und Verkehrsverein

Am 1. Juli 1955 haben 16 Frauen und Männer aus Talle den Heimat- und Verkehrsverein gegründet – vorwiegend Gewerbetreibende.

Kaufleute, Gastwirte, Handwerker und auch Pensionsinhaber. Eine von ihnen, Frau Gertrud Klein, wurde zur Vorsitzenden gewählt - ein Novum in der Taller Vereins-geschichte, dass eine Frau das Vorstandsamt bekleidete.

In den siebziger Jahren erweiterten sich die Aufgaben und erhielten eine neue Dimension, denn 1969 waren in Nordrhein-Westfalen die Großgemeinden gebildet
worden. Für den Verein bedeutete dies, den Schwerpunkt der Arbeit nun auf das erste Wort (Heimat) seines Namens zu legen. Anfang der 70er Jahre wurde dann eine breite Basis daraus, die bis heute im Dorfleben von Talle eine anregende Rolle spielt.

Durch gemeinsame Aktionen wurde das Zusammengehörigkeitsgefühl gestärkt, seien es nun die häufigen Wanderungen oder die vielen Arbeiten zur Verschönerung des Dorfbildes, wie zum Beispiel auf dem Foto links der Wichtel oder im Dorf der Maibaum.

Geschichte des Heimat­ und Verkehrsvereins Talle

Bei der Gründung eines Vereins finden sich in der Regel Frauen und Männer zusammen, die ihren gleichen Interessen, Fähigkeiten und Neigungen zusammen nachgehen wollen. Gleichzeitig will man mit dem Zusammenschluss weitere Menschen ansprechen, da es in der Regel leichter ist, mit einer größeren Zahl von Mitgliedern mehr Aktivitäten entwickeln zu können. Diese Feststellung gilt natürlich auch für Talle; schon früh im 19. Jahrhundert waren in dem kleinen Dorf der Ziegler­ und Arbeiterverein, der Posaunenchor, der Sportverein, der Gesangverein sowie die Feuerwehr gegründet worden.

Als es um die Gründung eines Heimat­und Verkehrvereins ging, standen ökonomische Überlegungen im Vordergrund, jene nämlich, ob es gelingen könne, im beginnenden Wirtschaftsaufschwung der fünfziger Jahre auch in Talle Vorrichtungen für Urlauber zu schaffen. Dies bedeutete in erster Linie, Übernachtungsmöglichkeiten anzubieten und im Ort ein einladendes Umfeld zu erzeugen. Daher ist es auch nachvollziehbar, dass die Gründungsmitglieder im Juli 1955 vorwiegend Gewerbe­ treibende waren: Kaufleute, Gastwirte, Handwerker und auch Pensionsinhaber. Eine von ihnen, Frau Gertrud Klein, wurde zur Vorsitzenden gewählt ­ ein Novum in der Taller Vereinsgeschichte, dass eine Frau das Vorstandsamt bekleidete.

Mit den ersten Prospekten sollten vor allem die Menschen des Ruhrgebiets angesprochen werden; die bewaldeten Höhen des Lipperlandes mit ihrer sauberen Luft waren recht günstig zu erreichen und ließen für einige Zeit die Rauchschwaden der Hochöfen vergessen. Den Urlaubern mussten natürlich neben angenehmen Pensionen und Gasthäusern auch gute Wanderwege und Ruheplätze angeboten werden. Daher war es eine vordringliche Aufgabe des Vereins, die Spazierwege zu pflegen, sie zu beschildern und an geeigneten Plätzen Bänke aufzustellen. Dies konnte nur gelingen, wenn die Mitgliederzahl ausgeweitet wurde. So war es ein Anliegen der rührigen Vorsitzenden, möglichst viele aktive Mitarbeiter zu gewinnen, um die stetig steigenden Arbeitseinsätze zu bewältigen. Alles vollzog sich nach dem Prinzip der Freiwilligkeit, sei es beim Arbeitseinsatz oder im finanziellen Bereich, denn bei einem Jahresbeitrag von 3 DM waren die Vereinsmittel rasch aufgezehrt. Es erforderte viel Einsicht, wenn ein Landwirt, wie aus den Unterlagen zu entnehmen, seine Rechnung über Bänkeausfahren und ­aufstellen einreichte, und die Vorsitzende ihm vorschlug, „mit Rücksicht auf das Gemeinwohl“ auf eine Kostenerstattung zu verzichten!

Eine Rechnung aus dem Jahre 1973 verdeutlicht, dass während des gesamten Vereinsbestehens die Mitglieder stets auf ein Entgelt für ihre geleistete Arbeit ver­ zichteten, oft sogar noch eine Spende aufbrachten, um ein Projekt vollenden zu können: Beim Aufräumen und Schneiden von Ästen sowie bei der Anlegung neuer Wanderwege waren 12 Mitglieder im Einsatz. Die Rechnung über gelieferten Split betrug 300 DM, davon brauchten nur 80 DM aus Vereinsmittel bezahlt zu werden, weil 220 DM Spendengelder zuflossen. Später halfen auch Gemeinde und Kreis mit öffentlichen Zuschüssen, so dass der Verein in den ersten zwanzig Jahren schon segensreich für Talle gewirkt hatte.

In den siebziger Jahren erweiterten sich die Aufgaben und erhielten eine neue Dimension, denn 1969 waren in Nordrhein­Westfalen die Großgemeinden gebildet worden. Dies bedeutete für viele Bewohner der ehemals selbstständigen Dörfer einen starken Bruch in ihrem Verhältnis zu einem Gemeinwesen. Die politisch geschaffene Verwaltungseinheit wurde wegen ihrer Ferne äußerst skeptisch betrachtet, eine Identifikation als „Kalletaler“ stellte sich erst Jahrzehnte später ein.

Für den Verein bedeutete dies, den Schwerpunkt der Arbeit nun auf das erste Wort (Heimat) seines Namens zu legen. Dem Vorstand oblag es, möglichst umfassend und intensiv den Bürgerinnen und Bürgern Talles die historisch gewachsene Dorf­ gemeinschaft als festgefügten Lebensbereich zu vermitteln. Dieser durfte aber nicht als nostalgisch verklärtes Gebilde erscheinen, sondern musste jedem als ein aktives Ganzes erlebbar sein. Diese Aufgabe war umso wichtiger, weil sich zwischenzeitlich das alte Dorf Talle durch drei große Siedlungsgebiete in der Brede und Farenbrede sowie vor allem auf dem Albernberg mit 1250 Einwohnern in der Anzahl der Häuser und Menschen gegenüber 1939 verdreifacht hatte. Es war ein Glücksfall, dass man mit Gustav Schweppe einen Vorsitzenden gefunden hatte, der mit seiner Aktivität neuen Schwung in das Vereinsleben brachte und sich sofort den sich offenbarenden Anforderungen stellte. Es gelang ihm in kurzer Zeit, die Mitgliederzahl auf 185 zu steigern, in fast jeder Familie des Dorfes gab es ein Vereinsmitglied.

Durch gemeinsame Aktionen wurde das Zusammengehörigkeitsgefühl gestärkt, seien es nun die häufigen Wanderungen oder die vielen Arbeiten zur Verschönerung des Dorfbildes. Als große Herausforderung erwies sich dabei das Vorhaben, den „Berggarten“ umzugestalten und als Treffpunkt für Jung und Alt herzurichten. Viele hunderte Arbeitsstunden waren notwendig, bis das neue Schmuckstück als Dorfmittelpunkt fertig gestellt werden konnte. Fast alle Vereine des Dorfes wirkten bei der großen Einweihungsfeier im Sommer 1974 mit ­ ein wichtiger Kristallisationspunkt für zukünftige Vorhaben, weil sich nun fast alle Einwohner in das dörfliche Geschehen eingebunden fühlten. Gleichzeitig hatte sich auch die besondere Position des Hei­ mat und Verkehrsvereins herausgebildet: er war der Integrationspunkt der Bewohner über alle Vereinsgrenzen hinweg.

Gleichzeitig führte der Verein viele weitere Veranstaltungen für die Mitglieder durch, die in der Regel auch allen übrigen Einwohner des Dorfes angeboten wurden. Als eine feste Größe im Jahresprogramm hatten sich die Wanderungen erwiesen. Immer wieder gab es interessante Routen, die die Wanderwarte Fritz Brakhage und Herbert Potthast ausgetüftelt hatten. Da gab es jahrelang gemeinsame Wandertage mit dem befreundeten Verein Hilter am Teutoburger Wald, und eine neue Dimension wurde er­ reicht, als 1982 der Lemgo­ Kalletal­Wandertag eingerichtet wurde. Über 300 Teil­ nehmer wanderten am 1. November von Lemgo nach Talle und wieder zurück. Im darauffolgenden Jahr begann die Wanderung in Talle und führte über Lemgo zurück ins Bergdorf, wobei sich die Zahl der Wanderfreunde noch erhöht hatte.

Unter dem Dach einer einheitlichen Interessenvertretung entstanden erstaunliche Initiativen, sichtbar geworden z.B. beim wichtigsten Projekt für Jahrzehnte, der Planung der Ortsdurchfahrt Talle. Etliche Jahre hindurch war in den Zusammen­ künften des Vereins immer wieder das Vorhaben thematisiert worden, als endlich Mitte der achtziger Jahre die Arbeiten beginnen sollten. In mehreren Versammlungen mit den Behördenvertretern hatte sich die Einwohnerschaft sachkundig gemacht. Anschließend veranstaltete der Verein eine Informationsfahrt in elf lippische Dörfer, um an konkreten Beispielen Lösungsansätze für Talle zu erarbeiten. Schließlich wurden die Ausbaupläne einstimmig von den Bürgern angenommen – ein unglaub­ liches Ergebnis für ein so weitreichendes Vorhaben.

Das bürgerschaftliche Engagement artikulierte sich in zwei weiteren Begebenheiten, bei denen zwar der HVV Talle nicht vorrangig involviert war, er aber durch seinen Stil demokratischer Mitarbeit sicherlich die Form der Auseinandersetzung mit geprägt hatte: es ging um die Auseinandersetzungen wegen der Errichtung eines britischen Munitionsdepots im Rießen (1987) und wegen der Erweiterung des Steinbruchs in Röntorf (1991). Die Ernsthaftigkeit und Professionalität der Protestaktionen gegen­ über lippischen und außerlippischen Verwaltungen waren ein Vorbild bürgerschaftlicher Qualität. Später wiederholte sich dieses Ringen mit einer halbstaatlichen Institution bei der Schließung der Sparkassenfiliale.

Weniger dramatisch, dafür aber umso erfolgreicher entwickelte sich ein anderes wichtiges Gemeinschaftsprojekt, der Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“. Natürlich hatte es unser Dorf durch seine vorzügliche topographische Lage erheblich leichter als viele andere Kommunen, bei dem Wettbewerb erfolgreich abzuschneiden. Die Kriterien hatten sich jedoch im Laufe der Jahre stetig erschwert, die gemeinsame dörfliche Mitarbeit erhielt immer größeres Gewicht bei der Bewertung, so dass nur ein starkes Wollen zum Erfolg führen konnte. Auch in Talle hatte sich der Vorstand viele Jahre hindurch bemüht, allen Bürgerinnen und Bürgern die Grundlagen des Wettbewerbs nahe zu bringen. Mit Adolf Lüftner stand ab 1982 ein kämpferischer Vorsitzender an der Spitze des Vereins, der nicht müde wurde, jedes Jahr aufs neue für die Teilnahme zu werben. Da geschah es sogar, dass der Geschäftsführer einen Grundstücksbesitzer schriftlich bat, seinen Drahtzaun samt Betonpfählen zu beseitigen und stattdessen einen Holzzaun neu zu setzen, wobei selbstverständlich die Vereinsmitglieder bei der Umgestaltung helfen wollten.

Nach siebenmaliger Teilnahme war es so weit: Talle wurde 1989 zum Siegerdorf im Kreis Lippe ausgerufen. Mit einer großen Feier wurde der Erfolg im Herbst im Beisein vieler anderer Teilnehmerdörfer bejubelt. Zwei Jahre später stellte sich ein weiterer Triumph ein: Talle wurde in einem Sonderwettbewerb auf Landesebene zum Siegerdorf erklärt. An der Siegerehrung im Sauerland nahmen 40 Taller Frauen und Männer teil, die voller Stolz zusahen, als ihr Vorsitzender aus der Hand des Landwirt­ schaftsministers die Urkunde und einen Scheck über 1.000 DM entgegennahm.

Daneben wurden aber auch weiterhin im Sinne der Gründungsidee des Vereins große Anstrengungen unternommen, viele Menschen in Deutschland für das schöne Bergdorf zu interessieren. Der neue sechsseitige Fremdenverkehrsprospekt der achtziger Jahre, der vom Geschäftsführer Alois Gassner mit Elan und Sachkenntnis entwickelt wurde, umfasste mit 15 Gastronomie­ und Beherbungsangeboten eine breite Palette lippischer Gastlichkeit. Die Übersetzung des Titels „Das fröhliche Wanderparadies voller Tradition“ ins Niederländische („Een vrolijk wandelparadijs vol traditie“) verdeutlichte, dass man sich im Zeitalter offener Grenzen um neue Besuchergruppen erfolgreich bemühte.

Bei der Betrachtung der Bilanz der ersten fünfzig Jahre der Vereinsgeschichte nehmen drei weitere Gemeinschaftsprojekte eine herausragende Stellung ein, deren erfolgreiche Errichtung wiederum viele Taller Bürgerinnen und Bürger mit großer Freude erfüllte.

In der Geschichte des Dorfes besitzt der Petersborn eine besondere Bedeutung. Sein Wasser hatte die erste Ansiedlung von Menschen ermöglicht, über Jahr­ hunderte hindurch diente die Quelle als Wasserstelle, Waschplatz und Feuerlöschteich. In den Jahren des Wiederaufbaus war der Petersborn durch ein Ge­ bäude überbaut worden. Im HVV Talle wurde 1983 angeregt, die Quelle freizulegen und in einem der Jetztzeit entsprechenden Umfeld neu zu gestalten. Heinz­Werner Webel schaffte es sofort, mit seiner Zeichnung genügend Mitglieder zu begeistern. In den nächsten Wochen wurde mit den Arbeiten begonnen. Ein neuer Brunnen musste ausgemauert werden, von dem aus das Wasser durch eine Leitung in einen kleinen Teich geleitet und dort aufgefangen wurde. Bruchsteineinfassungen schlossen das Ensemble ab, und nach ca. 100 Arbeitstagen unter der Leitung des „Brunnenmeisters“ Herbert Batzer gab es im Sommer 1984 ein großes Einweihungsfest, bei dem viele Gäste aus nah und fern den neuen reizvollen Treffpunkt bewunderten, der Geschichte wieder sichtbar machte.

1987 wurde am Brinkhof ein Grillplatz mit einer Schutzhütte errichtet, der rasch ein beliebter Ausflugspunkt wurde und etlichen Gruppen bei geselligen Zusammenkünften einen vorzüglichen Blick auf die heimatlichen Gefilde ermöglichte.

Ein Jahr später wagte man sich an ein weitaus größeres Projekt: die Friedhofskapelle sollte umgestaltet werden, um endlich genügenden Raum bei Trauerfeiern zu haben. Im Sommer 1988 trat der HVV Talle mit einem Spendenaufruf an die Einwohnerschaft heran. Als sich die Gemeinde Kalletal bereit erklärte, die Kosten zu übernehmen, wenn seitens der Dorfgemeinschaft durch Eigenleistung und Spenden der finanzielle Rahmen gesenkt würde, waren viele Freiwillige aus allen Taller Vereinen zur Stelle, um bei den anfallenden Arbeiten zu helfen. Nach unglaublich kurzer Zeit war das Werk vollendet. Im Frühjahr 1989 wurde die neue Kapelle mit 145 Plätzen eingeweiht. Auch das Spendenaufkommen war überragend, ca. 22.000 DM hatten die Bürgerinnen und Bürger aufgebracht und damit insgesamt ein leuchtendes Beispiel für ein funktionierendes Gemeinschaftsleben gegeben.

Der Pflege geschichtlicher Daten und Ereignisse hatte sich der Verein bereits seit längerem verpflichtet gefühlt, als er seit 1983 seinen Mitgliedern jährlich als Weihnachts­ und Neujahrsgruß eine Fotokarte mit einem historischen Motiv überreichte. Diese Idee griff Herbert Potthast auf und ermutigte seine Mitbürger, ihm alte Fotos und historische Materialien zu überlassen. Mit zwei großen Ausstellungen (1986 und 2003) erzielte er ein starkes Echo, das weit über den dörflichen Rahmen hinaus­ reichte. Bemerkenswert war auch, dass sich die jüngeren Besucher für die Bilder interessierten, waren es doch häufig Szenen dörflichen Lebens ihrer Großeltern und Eltern.

Im März 2019 wurde der Heimat- und Verkehrsverein Talle aufgelöst. Nach dem Rücktritt des langjährigen Vorsitzenden Dieter Hartwig stand kein neuer Vorsitzender zur Verfügung.. Ebenfalls fand man beim Zieglerverein Talle keinen neuen Vorstand. Es fanden Fusionsgespräche statt und im April 2019 wurde ein neuer Verein mit dem Namen Heimat-und Zieglerverein gegründet. Als 1. Vorsitzender fungiert Rainer Dubbert.